Essstörungen

Essstörungen

Die Nahrungsaufnahme ist ein menschliches Grundbedürfnis: Essen ist etwas Alltägliches, immer Wiederkehrendes, und scheint auf den ersten Blick das Natürlichste und Selbstverständlichste der Welt zu sein. Es gehört zu den grundlegendsten Bedürfnissen des Menschen und ist meist mit sinnlichen  Genüssen und Wohlgefühl verbunden. Denn unser Geschmacks- und Geruchssinn machen aus Nahrungsmitteln zugleich Genussmittel.

Essstörungen hingegen sind schwerwiegende psychosomatische Erkrankungen mit Suchtcharakter. Vordergründig geht es meist um das Thema Essen/Nicht Essen und Gewicht, unbewusst sind Essstörungen Lösungsversuche für tiefer liegende seelische Probleme oder Ersatz für verdrängte Gefühle und Bedürfnisse.Unbeschwerter Genuss und gesunder Appetit sind Betroffenen meist fremd.

Die 3 wichtigsten Essstörungen sind: Anorexie (Magersucht), Bulimie (Ess-Brechsucht) und binge eating disorder (Essanfälle ohne Erbrechen).

Essstörungen gehören zu den sogenannten „Verhaltenssüchten“, da viele Verhaltensweisen, die Menschen mit Essstörungen zeigen, suchtartigen Charakter haben. Kontrollverlust, Wiederholungszwang und soziale Isolation sind typische Merkmale, die bei allen Suchtkrankheiten eine Rolle spielen und auch die Krankheitsbilder der Essstörungen miteinander verbinden.

Anorexia Nervosa (Magersucht)

Kennzeichen:

  • großer Gewichtsverlust innerhalb kurzer Zeit
  • Der Gewichtsverlust ist selbst herbeigeführt durch eingeschränkte und/oder streng kontrollierte Nahrungsaufnahme
  • Trotz starkem Untergewicht besteht große Angst zuzunehmen
  • Exzessives Betreiben von Sport
  • Ständige, übertriebene, Beschäftigung mit dem Thema Essen
  • Körperschemastörung (eigener Körper wird als dick wahrgenommen)
  • Oft fehlende Krankheitseinsicht
  • Ritualisiertes Essverhalten (sehr langsam, extrem heiß oder kalt, nur bestimmte Speisen etc.)
  • Starkes Kontrollbedürfnis, Perfektionismus, Hyperaktivität
  • Körperliche und psychische Beschwerden (Ausbleiben der Regel, depressive Verstimmung, sozialer Rückzug, Kreislaufprobleme etc.)

Häufigkeit in der Steiermark:

Bereits jede 3. Schülerin (zw. 12 und 20 Jahren) leidet an einer Frühform von Essstörungen

Anorexie tritt häufig schon bei sehr jungen Mädchen auf, die Spitze liegt bei 17 Jahren. Auch Buben/Männer sind immer häufiger von Magersucht betroffen. Hier liegt das Verhältnis zwischen erkrankten Männern und Frauen bei 1:10.

Bulimia Nervosa (Ess-Brechsucht)

Kennzeichen:

  • Menschen, die an Bulimie leiden, haben mind. 2 mal pro Woche eine Fressattacke, wo Unmengen an Lebensmitteln verschlungen werden. Um eine Gewichtszunahme zu verhindern, wird anschließend ein Erbrechen herbeigeführt. Auch der Missbrauch von Abführmitteln ist häufig.
  • Zwischen den Fressanfällen und in der Öffentlichkeit ist das Essverhalten kontrolliert, häufig wird Diät gehalten.
  • Meistens sind Menschen, die an Bulimie leiden, normalgewichtig.
  • Betroffene haben einen sehr geringen Selbstwert der sehr stark von Figur und Körpergewicht abhängt. Zudem ist ihnen bewusst, dass ihr Essverhalten problematisch ist und es kommt, nicht wie bei Magersüchtigen, zu einer Verdrängung.
  • Körperliche und psychische Folgeschäden treten auf. (Zahnschmelzschäden, Herzrhythmusstörungen, Haarausfall, Mineralmangel, Nierenschäden, Schlafstörungen, Depressionen, soziale Isolation etc.)

Häufigkeit:

Bulimia nervosa tritt mit einer Häufigkeit von ca. 1 – 3% auf.

Binge Eating Disorder

Bei der Binge Eating Disorder (BED) kommt es ebenso zu Heißhungerattacken, allerdings ohne Erbrechen oder andere kompensatorische Maßnahmen.

Kennzeichen:

  • wiederholte Essanfälle (große Mengen innerhalb kurzer Zeit)
  • Kontrollverlust
  • Schnelles Essen bis zu einen unangenehmen Völlegefühl
  • Essen großer Mengen, selbst wenn kein Hungergefühl vorhanden ist
  • Alleiniges Konsumieren der Speisen aus Scham oder Verlegenheit
  • Ekel- und Schuldgefühle sich selbst gegenüber
  • Es besteht deutliches Leiden
  • Die Essanfälle treten im Durchschnitt an mind. 2 Tagen in der Woche für 6 Monate auf

Adipositas (starkes Übergewicht)

Obwohl Adipositas nicht zu den Essstörungen zählt, weist sie doch einige Parallelen zu Essstörungen auf. So wird Essen häufig als Strategie eingesetzt, um negative Gefühle zu überdecken und Probleme zu verdrängen. Leider wird Übergewicht in der Bevölkerung häufig „nur“ als körperliche Erkrankung oder Disziplinlosigkeit und nicht als seelisches Leiden gesehen. Dabei ist unumstritten, dass viele Betroffene massive psychische Probleme haben. Zusätzlich führt Übergewicht oft zu sozialer Ausgrenzung, Mobbing und Vorurteilen.

Kennzeichen:

  • Der Body-Mass-Index (BMI) liegt mindestens über 30.
  • Oft gestörtes Erleben von Hunger und Sättigung.
  • Betroffene haben einen geringen Selbstwert aufgrund des hohen Gewichts/der Figur.
  • Betroffene sehen sich mit einer Reihe an körperlichen Schäden und Risiken konfrontiert.

Behandlung von Essstörungen

Erfolgreiche Behandlungen gehen meist von einem multimodalen Ansatz aus. Das bedeutet, dass unterschiedliche Behandlungsstrategien gleichzeitig eingesetzt werden und verschiedene Berufsgruppen Hand in Hand arbeiten. Im Zentrum steht meist eine psychologische/psychotherapeutische Behandlung. Bei schwerwiegenden Fällen wird immer eine ärztliche Unterstützung angeraten. Auch Ernährungsberatung, Ergotherapie, Kunsttherapie, Selbsthilfegruppen etc. können hilfreich sein. Bei Kindern und Jugendlichen ist eine Beratung und Psychoedukation der Eltern immer notwendig.